Drohend stehen dunkle Wolken über der Johanneskirche. Aber gleich darauf strahlt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Doch allzubald dräuen erneut Wolken, die Schleusen öffnen sich für einen kurzen Moment und lassen die Menschen im Regen gehen, und gleich danach zeigt sich der Himmel wieder in Blau. Dazu ist es auch ganz schön kalt. Es ist Karfreitag, der 18. April 2014. Ein Grüppchen von knapp 30 Personen zwischen 2 und 80 Jahren steht auf dem Platz vor der Johanneskirche in Quelle, mehr Männer als Frauen, halbwegs wetterfest gekleidet, kaum ein Schirm, viele Mützen. Sie scharen sich um ein Kreuz von knapp 2 m Länge und 80 cm Breite, gefertigt aus Rundpfosten von ca. 15 cm Durchmesser. Sie wollen den Queller Kreuzweg gehen, hier von der Kirche hinauf zur Klosterruine auf dem Jostberg. Dort erwarten sie einen Zug katholischer Christen der Heilig Geist-Gemeinde aus Dornberg zum gemeinsamen Gebet.
Bald schon, knapp vor dem Biohof Bobbert, folgt die zweite Station. Diesmal übernimmt der zweite Geistliche, P. Carsten Ledwa, den Part der Stationsvorstellung, des Schuldbekenntnisses und des Gebetes, und alle singen gemeinsam die zweite Strophe des Liedes Nr. 97. Zwei andere Männer tragen jetzt das Kreuz, und weiter geht’s, schnurgerade hinauf, dem Himmel entgegen. Es folgen die Stationen 3 – 7. Abwechselnd übernehmen die Pastoren die Rolle des Vorsprechenden, eine gemeinsam gesungene Liedstrophe beschließt die Station, und auch die Kreuzträger wechseln nun wieder, immer Männer, nie eine Frau Unterwegs zwischen den Stationen, kommt es zu Gesprächen zwischen den Teilnehmenden. Dinge, die einen bewegen, werden erörtert. Auch Lachen ist zu hören. Andere bleiben lieber allein, gehen ihren Gedanken nach, seien sie nun religiöser oder persönlicher Art. Auch der Weg verlangt mehr und mehr nach Aufmerksamkeit. Das Kreuz drückt in diesem steileren Teil des Weges stärker als am Beginn unten in Quelle, man möchte das Kreuztragen umgehen, es anderen überlassen. Carsten Ledwa und Egon Leimkuhl bleibt es vorbehalten, das letzte Teilstück zu übernehmen. Als wir um die letzte Kurve biegen, sehen wir, dass die katholischen Christen der Heilig Geist-Gemeinde aus Dornberg bereits vor uns angekommen sind und uns erwarten. Sie führen ein Kreuz aus Birkenstämmchen mit sich. Als alle Teilnehmer, Katholiken und Protestanten, innerhalb der Klosterruine ihren Platz gefunden haben, wechseln sich P. Dreier und der katholische Geistliche in der Moderation der Gebete und Bitten ab. Für mich war diese Kreuztracht ein Erlebnis wie aus Kindertagen, als ich an katholischen Karfreitagsprozessionen teilnahm. Je länger ich diesen Weg zur Klosterruine beschritt, desto bewusster wurde mir, dass er einen Lebensweg darstellte, mal leichter, mal schwieriger, mal mit, mal ohne Kreuz. Selten in den vergangenen Lebensjahrzehnten habe ich das, was in Jerusalem mit Jesus geschah, so eindringlich verstanden wie diesmal. |