Industriekultur erleben in Bocholt. Diese Werbeaussage des Textilmuseums reißt ja zunächst nicht so direkt vom Hocker, besonders wenn man aus einem „textilen Umfeld“ wie Ravensberg kommt. Dazu ist uns Ostwestfalen Bocholt mit seinen siebzigtausend Einwohnern ja auch nicht so direkt als eine umtriebige Metropole bekannt, eher verorten wir eine schläfrige Kleinstadt im Münsterland. Die Teilnehmer des Heimat- und Geschichtsvereins an der Tagesfahrt vom 26.08. zum Textilmuseum haben dieses Vorurteil sehr schnell revidiert: Sie tauchten ein in eine Erlebniswelt von Modegeschichte, historischer und moderner Technik rund um die Textilproduktion und Einblicke in die Arbeitswelt der Industrialisierung. In zwei restaurierten Gebäuden der ehemaligen Spinnerei und Weberei Herding konnten sie sich zunächst über die Modegeschichte von 1885 bis in die heutige Zeit an einem 23 Meter langen, gläsernen Laufsteg informieren. Der Maschinensaal zeigt eine fast 20 Meter lange Spinnmaschine für Baumwollgarn, zu Boom Zeiten betrieb Herding 600 Maschinen mit insgesamt 23.600 Spindeln. Weitere Exponate beschäftigten sich mit der Lebenswelt der Textilunternehmer.

Ein paar Schritte nebenan, über die Brücke der Aa, steht ein Nachbau der ehemaligen Weberei Gebr. Essing, Rhede. Hier ist nicht nur der Webmaschinensaal sondern auch Maschinenraum und Werkstatt zu besichtigen. Die über 50 Webstühle wurden lange Zeit mit einer Dampfmaschine betrieben. Den Teilnehmern der Veranstaltung fielen natürlich sofort zwei große Aggregate auf, die mit der Aufschrift “K. & Th. Möller Brackwede in Westfalen 1912“ versehen waren. Heimische Produkte aus historischer Zeit! Sowohl die Antriebsaggregate, als auch ein Teil der Webstühle wurden in Betrieb gesetzt. So erhielten die Besucher einen nachhaltigen Eindruck vom ungeheuren Lärm, der Gefahren denen die Arbeiter ausgesetzt waren und welche Präzision beim Umgang mit den Webstühlen erforderlich war. Auf den Webstühlen werden auch heute noch Handtücher, Decken und andere Produkte hergestellt, die im Museumsshop zu erwerben sind. Ein Rundgang durch ein Arbeiterhaus mit Garten rundete den Besuch ab.

Die Erlebnisse konnten ausführlich während der Kaffeepause am idyllischen Schloss Raesfeld unter den Teilnehmern ausgetauscht werden. Alles in allem eine hochinteressante und gut gelungene Veranstaltung, die von den Organisatoren hervorragend vorbereitet und durchgeführt wurde. Bocholt wird in guter Erinnerung bleiben.